Ein Bild und seine Geschichte III
Erinnerung an eine Malreise nach Frankreich
 
 
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Meine Freundschaft mit Eugen war von besonderer Art: Sie stand bereits im Lauf der ersten Begegnung fest, sodass wir nicht nur gemeinsam malten und Gespräche führten, sondern dass er auch dazu gehörte, wenn der Freundeskreis in grösserer oder kleinerer Formation ausrückte. Unsere Wertvorstellungen entsprachen einander in allem Wesentlichen und Probleme gab es nicht.

Als er nach zehn oder zwölf Jahren aus seinem bisherigen Lebenskreis hinaustrat oder getragen wurde, empfand ich nie ein Ressentiment. Die Freundschaft war irgendwie in die Tiefe gesickert und setzte sich fort wie ein unterirdisches Gewässer, das früher oder später ungetrübt wieder zu Tage tritt. Wir haben in seinen späteren Jahren viele gute und vertrauensvolle Begegnungen gehabt. Wir haben einander auch gezeigt und erklärt, was wir produzierten. Dass es keine gemeinsamen Malreisen wie einst mehr geben konnte, mussten wir hinnehmen, aber gelegentlich rückten wir Begebenheiten und Details ins Scheinwerferlicht der Erinnerung und diese war bei beiden geordnet und präzis. Ich greife aus den zahlreichen Malreisetagen einen heraus.

Es muss im Sommer 1968 gewesen sein. Wir hatten übernachtet in Bar sur Aube, einem Städtchen am gestauten grünen Fluss, hatten hier in einem Guide-Restaurant gegessen, waren aber die einzigen Gäste gewesen. Zuletzt hatte uns der Kellner ein riesiges Käsekarussel vorgesetzt und uns überlassen. Im Radio begann eine feierliche, ernste Musik. Eugen erkannte sogleich, dass es Bruckner war, während ich in Bezug auf Bruckner nur gerade den Namen kannte und auch das Vorurteil hatte, er sei wenig dynamisch und seine Symphonien sehr lang. Nun gefiel die Musik beiden, und das Käsekarussel drehte und leerte sich. Wein hatten wir genug. Am Schluss klatschen wir, und der Kellner kam mit der Rechnung.

Am nächsten Tag nach dem Frühstück entfalteten wir die Michelinkarte und schauten, wo wir die Seine überqueren wollten. Jenseits würden wir auf den sanften Wölbungen des Kalkgeländes nach blassgrünen und hellgelben Getreidefeldern suchen. Wir wussten, was wir sehen und malen wollten und brauchten es nur noch zu finden. Es war beschlossen, dass wir nirgends einkehren und bis am Abend malen wollten. Am Vormittag fuhren wir durch die endlosen monoton schönen Feldlandschaften, schön überall, aber das Besondere hatten wir noch nicht gefunden. Dann machten wir plötzlich halt, wussten, hier muss es sein. Wir luden das Malzeug aus, zündeten die Toscani an, die für die Feineinstellung unerlässlich ist. So hatten wir den richtigen Punkt. Auf den Linien- und Farbauflauf kommt es an. Drei Bäume, für uns hingepflanzt.

Beim Malen erlosch die Toscani. Die mittägliche Hitze wuchs. Aber beide empfanden wir das Schaffen und die Entbehrung als mächtige Steigerung der Lebensempfindung. Gespräche gab es während Stunden kaum. Erst beim Zusammenräumen war davon die Rede, welchen Ort wir auf den Abend hin ansteuern sollten. Auxerre vielleicht. Aber vorher wollten wir am Serein noch eine Farbzeichnung machen von einem Mühlenwehr. Im letzten Sommer waren wir dort vorbei gefahren.

Es war eine schöne und erfüllte Zeit und die Erinnerung an unsere Malausflüge ist gültig geblieben.

Fritz Koch, Mai 2004
 
 
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