Mein Freund Eugen
Gedankenkrämerei...
Wann war das genau? Was war der Anlass? Warum haben wir uns wo zum ersten Mal gesehen? Du hast viele Nächte in Deinem Atelier an der Badgasse verbracht. Ich habe mir die Zeit im und um das Africana, zwischen Vögelipark und Rebstock, vertrieben. Die örtliche Nähe mag ein Grund für unsere Bekanntschaft, die zu tiefer Freundschaft wurde, gewesen sein.

Jedenfalls machten wir plötzlich einmal den Mäander zusammen, die erste und einzige Untergrundzeitung in Winterthur, die sich kulturell nannte. Du hast die Bilder dazu gemacht, ein Freund hat seine Mutter eingespannt, die dann Seite um Seite ein paar hundert Mal ohne Kostenfolge an ihrem Arbeitsplatz bei Sulzer durch den Xerox-Kopierer gelassen hat. Das waren die herrlichen „KopfsprunginsUnbekannte-Nächte“. Es ist aufgefallen, dass damals immer weniger Weinflaschen in Deinem Atelier gefunden worden sind, volle und auch leere, dafür viele Frauen, die dann automatisch zum „Bis morgen mal“ führten, dann war ich entlassen – Du konntest es immer gut mit dem anderen Geschlecht, auch wenn es nicht immer nur gut war.

Damals begann eine psychedelische Zeit, bei Dir anders denn bei mir. Aber der Herr Hofmann wurde aktuell, Kakteen blühten selbst in schwangeren Cannabis-Ateliers, und zwischendurch hattest Du mal wieder Geld und konntest für das ganze Pack Wein und Food einkaufen. Damals waren wir ja, Frauen nicht gezählt, in guten Nächten sechs Leutchen, die da mäanderten. Du hast dann von Deinen alten Ölgemälden, die meine Wände schmücken, von den Totenköpfen auf die nicht minder makabren Fasnachtsbilder umgestellt, hast Dich selbst porträtiert vor dem damaligen Milano am Bahnhof in Winterthur, suchend als Narr, in Konfetti wühlend, nur weil Du Deinen Trip verloren hattest.
 
 
Ich habe dann irgendwann mal nach Deiner 1. Mai-Rede geheiratet, Du hast Dich scheiden lassen, Du bist von der Badgasse in Dein Sidi-Burgschlossfabrikchen umgezogen. Der Kontakt riss nicht ab, Du kamst oft nach Hegi in unsere WG, wir haben Dich oft in der Sidi besucht. Noch im alten Atelier warst Du total auf die „Doors“ fixiert, der Morrison tönte so, wie Du gelebt hast, aufgewühlt. Später waren es dann auch die Pink Floyd, die uns die Tage an der Thur und am Rhein schmackhaft machten – Du hast gezeichnet und gepinselt und ich habe Geschichten geschrieben und manchmal hat die Geschichte zum Bild gepasst, manchmal das Bild zur Geschichte und ein paar Mal passte beides wirklich zusammen. Trotzdem haben wir keinen zweiten Mäander gemacht.

Dann kam Deine Flugzeit – rund um den Erdball, Zielorte oft und noch öfter in Afrika. Ich war mit Dir in Tunesien, SidiBouSaid, ein Riesenhotel nur für uns alleine, und die vier Flaschen Dutyfree-Whisky waren nach zwei Tagen und Nächten leer. Das Goethe-Institut und der stellvertretende Konsul von Österreich waren unsere Rettung – die hatten noch genug Diplomatenstoff. Auch zollfrei.

Dann begann sich Deine Malerei zu ändern, Du hast die Kunst der Kaltnadel studiert, Radierungen gemacht, warst einmal im Chrämerhaus in dem Dorf, das sich eine Stadt nennt, und hast dort beim Steindrucker einen Fels mit einer 50 Bilder Auflage durch eine alte Heidelberger gezogen. Dann waren es nur noch gelegentliche Besuche in der Sidi, bei uns, und irgendwann waren wir wohl auch mal zusammen in Basel beim Wegmüller und beim Golowin an einer Hexensabbatnacht. Da ist Dein Auto auf dem Parkplatz zusammen gebrochen, aus mit der grossen Freude, alle acht Mann heimwärts mit Autostopp.
 
 
Dann bekam ich Deinen Tigerorden, und wenn ich in Winterthur war, kam ich bei Dir vorbei und wir hatten es immer fein. Manchmal noch feiner, wenn wir gerade beide Geld hatten, dann haben wir uns Wein und Käse gekauft und auch mal einen Parmaschinken und dann haben wir geschlemmt, als wären wir Könige und bei Dir lief damals afrikanischer Sound, der mir eigentlich nicht gefiel, tönte so blechern auf Deinem kleinen Ghettoblaster, aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Du hattest auf Deine spezielle afrikanische Copyart umgestellt – Elemente aus einzelnen Radierungen in anderen neu verwendet, manche Bilder ganz anders koloriert, neu drucken lassen bei Rolf, dem unvergessenen Freund.

Dann warst Du bei uns in Portugal, wir sind zusammen runter gedüst auf einer Arschbacke, 24 Stunden, 2550 Kilometer, und da hast Du mir beim Tanken die Scheiben geputzt und ins Tagebuch geschrieben: „Nur Action bringt Satisfaction.“ Am Westatlantik, bitter kalt, bist Du nackt ins Wasser gehüpft, manchmal schon so früh, also etwa um 10 oder 11 Uhr am Morgen, dass ich gar nicht mit wollte nach einer langen Nacht bis ins Morgengrauen. Dort haben wir sehr viel gesprochen, gehirnt, einfach immer dann, wenn Du nicht am Meer warst und auch nicht gerade die Fussball-WM schauen wolltest.

Wir haben gemeinsam Weihnachtsbilder für meine Kunden gemacht, ich mit dem Photoshop, Du hast dann handkoloriert, war ein Hit, die Bilder hängen heute noch in manchen Chefetagen. Wann immer ich Zeit und Geld hatte, war ich bei Dir in der Sidi, und meist habe ich noch ein Bild gefunden, das in mein Haus voller Bänziger aus allen Perioden passt. Und wir haben wegen diesem und jenem telefoniert oder Du kamst wieder auf ein langes Wochenende, das manchmal zwei Wochen lang wurde, zu uns. Eine seltsame Männerfreundschaft, aber eine wunderbare.

Dann kam der Anruf, dass Deine Leber spinnt und auch die Verdauung und das ganze medizinische Theater. Dann etwa drei Monate später wieder ein Anruf: Du musstest in das Krankenhaus, das ich seit dem Tod meines Vaters hasse. Ich habe noch einmal mit Dir telefoniert und mich für das Wochenende angemeldet – Du hast einfach nicht mehr warten können.

Abschied nehmen - Gute Freunde sind wie gute Bücher. Man tastet sich immer wieder zu ihnen vor, schlägt diese oder jene Seite auf. Denkt laut über den Sinn, den Inhalt nach. Diskutiert sich nächtelang die Stimme heiser. Und freut sich beim Abschied, dass es bald einmal ein Wiedersehen geben wird. Denn ich wollte Dir noch so viel sagen …

Moses, 6. Mai 2004

Fotos: Peter und Sylvie Döberl
 
 
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